Die unglaublichen Vorgänge rund um die NSU-Morde zeigen uns allen beispielhaft, wie sehr unser
Staat im Umgang mit Rechtsextremismus versagt. Gerade das Land Hessen hat in der Kategorie
„wegsehen und weghören“ Bestnoten verdient, wenn man dem Innenministerium nicht
unterstellen will, dass es die Abgeordneten und die Öffentlichkeit regelmäßig belügt.
Wir brauchen eine andere Landespolitik, deshalb fordern wir:
Information ist die Grundlage zum Handeln:
 Das Vertuschen und Verharmlosen des organisierten Rechtsextremismus durch die
hessische Landesregierung muss ein Ende haben.
 Das neu gegründete Demokratiezentrum muss Mittel für ein umfassendes Monitoring
der rechten Szene bereit gestellt bekommen. Dieses Monitoring muss der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht werden und unabhängig vom Verfassungsschutz sein.
 Zur Refinanzierung des Monitorings ist die Abschaffung des Verfassungsschutzberichtes
sinnvoll, denn dieser taugt eher als Klolektüre, als für die Aufklärung über
demokratiegefährdende Strukturen in Hessen.
 Die hessische Polizei muss konsequent alle Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund
oder mit dem Verdacht eines jenen veröffentlichen und klar als solche benennen.
Repression darf kein Tabu sein!
 Alle rechtsstaatlichen Mittel müssen zur Bekämpfung und dem konsequenten Verbot von
rechtsextremen Konzerten, Demonstrationen oder sonstigen Veranstaltungen
ausgeschöpft werden.
 Bei Rechtsextremen Organisationen, Vereinen und Parteien müssen alle Möglichkeiten
für ein Verbot ausgeschöpft werden, um neonazistische Strukturen zu zerschlagen!
 Das Decken des Verfassungsschutzes von rechtsextremen Straftätern, um diese als
Informationsquellen zu gewinnen, muss ein Ende haben. V-Männer taugen nicht zur
Aufklärung über den Rechtsextremismus, sie behindern sie!
 Unsere Demokratie muss wehrhaft sein, dabei dürfen aber nie die Rechtsstaatlichkeit
und die Werte einer demokratischen Gesellschaft auf der Strecke bleiben!
Vertrauen zurückgewinnen
 Alle Verwicklungen hessischer Behörden in rechtsextreme Straftaten müssen konsequent
und kompromisslos aufgeklärt werden. Der Staat darf nie wieder den Eindruck erwecken,
dass seine Beamten und Angestellten Handlanger rechter Straftäter sind!
 Gerade der Korpsgeist bei den Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden scheint einen
erheblichen Anteil an den fragwürdigen Vorgängen rund um die NSU-Mordserie gespielt
zu haben. Nicht erst seit den NSU Morden ist deshalb eine Reform hin zu einer
funktionierenden unabhängigen Innenrevision dringend nötig.
Nazis entwaffnen!
 Rechtsextremisten ist der Zugang zu legalen Waffen grundsätzlich zu verwehren, wer ein
von Hass und Menschfeindlichkeit geprägtes Weltbild hat, ist nicht dazu befähigt eine
Waffe zu führen!
 Der illegale Waffenhandel und die Waffenschieberei, die es offensichtlich in der rechten
Szene gibt, müssen mit der ganzen Härte des Gesetzes verfolgt werden.
 Schützenvereine müssen dazu aufgefordert werden, dass in ihren Satzungen eine
Unvereinbarkeit mit rechtsextremen Aktivitäten festgeschrieben wird.
Prävention statt nur Feuerwehr!
 Dem mit dem neuen Bundesprogramm begonnenen Weg, die Prävention in den
Vordergrund zu stellen, muss auch in Hessen konsequent umgesetzt werden.
 Vor allem Präventionsangebote, die über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
aufklären und diese in der Bevölkerung abbauen wollen, müssen in Hessen endlich die
ihnen angemessene Rolle bekommen!
 Präventionsarbeit fängt in der Schule an, unsere Schulen müssen ein Ort demokratischer
Teilhabe werden, denn an demokratischen Prozessen zu partizipieren und diese zu
gestalten, ist der beste Weg, um autoritären und faschistischen Ideologien vorzubeugen!
 Die anlassbezogene Beratung des hessischen Beratungsnetzwerkes ist wichtig und
richtig, aber es muss auch möglich sein, dass sich das hessische Beratungsnetzwerk und
seine Berater dort engagieren, wo noch nichts vorgefallen ist.
 Wir begrüßen ausdrücklich, die auf zivilgesellschaftliche Initiative eingeführte Beratung
für Kommunen, die Flüchtlinge aufgenommen haben oder diese in Zukunft aufnehmen
wollen. Gerade der präventive Ansatz ist hierbei vorbildlich!
 Gerade Mikroförderung für kleine Initiativen ist ein wichtiger Baustein für präventive
Arbeit. Die hierfür im neuen Demokratiezentrum bereitgestellten Mittel reichen bei
Weitem nicht aus, die Landesregierung muss diese im Zweifel aus eigenen Mitteln
aufstocken!
 Der Verfassungsschutz hat bei der Präventionsarbeit nichts verloren!
Opferschutz ist genauso wichtig wie Ausstiegshilfe!
 Die Opfer von rechtsextremer Gewalt haben in Hessen erst mit Beginn des neuen
Bundeprogramms eine Anlaufstelle bekommen. Das begrüßen wir ausdrücklich!
 Immer wieder wurde in Pressemitteilungen der Polizei Opfern öffentlich eine Teilschuld
zugewiesen. Das ist untragbar und schreckt Opfer von Gewalt davon ab, sich der Polizei
anzuvertrauen. Opferschutz und die Perspektiven von Opfern müssen auch im
Bewusstsein der hessischen Polizei eine zentrale Rolle spielen.
 Die Ausstiegsarbeit in Hessen sollte von der Polizei und dem Verfassungsschutz
abgekoppelt werden. Zum einen hat gerade der Verfassungsschutz unter Umständen ein
Interesse, Ausstiegswillige in der Szene zu belassen, um diese als Informationsquelle zu
nutzen und zum anderen haben viele ausstiegswillige Neonazis massive Vorbehalte
gegenüber den Sicherheits- und Ermittlungsbehörden.
 Man sollte Aussteiger*Innen mit einer entsprechender fachlichen Begleitung durch Dritte
in die Präventionsarbeit einbinden.
Unfug beenden! Die Extremismus-Theorie ist widerlegt.
 Nicht erst die Studien von „Heitmeyer“ zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit
oder die Mitte-Studien der FES zeigen, dass die Idee des Extremismus-Modells eine
politische Setzung aus Zeiten des kalten Krieges ist.
 Staatliches Handeln kann sich nicht an einem haltlosen theoretischen Fundament
orientieren. Die Extremismus-Theorie darf das Handeln unserer Behörden nicht mehr
leiten!
Rechtspopulismus bekämpfen! Wir reden nicht mit den Brandstiftern.
 Der Kampf gegen Rassismen und Chauvinismus ist für Sozialdemokraten eine
Haltungsfrage.
 Wir reden nicht mit Rechtspopulisten, wir widerlegen und ächten sie, denn sie vergiften
unsere Gesellschaft mit ihrer hasserfüllten Ideologie.
 Auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft gibt es rechtsextreme
Einstellungsmuster, das ist aber kein Grund diesen Ewiggestrigen hinterher zu laufen
oder gar Kompromisse zu machen.
 Unser Anspruch muss im Gegenteil sein, die Köpfe der Menschen von diesem Ungeist zu
befreien!
Begründung:
Die hessische Landesregierung behauptet nach wie vor, dass es keinen landesweit vernetzten
Rechtsextremismus in Hessen gäbe, obwohl alle Erkenntnisse, selbst die dürftigen meist schon bei
Veröffentlichung überholten Informationen aus dem VS-Bericht, darauf hindeuten. Im
Innenministerium will man aus politischen Gründen die Gefahr von Rechts kleinreden. Dieser
Zustand muss ein Ende haben!
Zu dieser „Nichts hören, Nichts sehen, Nichts tun“-Einstellung passt auch die immer wieder
aufgeflogene Vertuschung des rechtsextremen Hintergrundes von Straftaten. Ob nun die gesprayte
„88“, die von angeblich in der Thematik gut geschulten Polizeibeamten einfach mal zu einer Tat
Linksextremer erklärt wird, bis zu den Übergriffen des Nazinachbarn, die als „Nachbarschaftsstreit“
bezeichnet werden. Diese Politik der Landesregierung ist unwürdig, die Polizei muss angewiesen
werden, rechtsextreme Straftaten kompromisslos auch als solche zu benennen und die Beamten
müssen dafür sensibilisiert und geschult werden.
Die NPD ist momentan durch inneren Zwist und „begrenzte“ Fähigkeiten der Verantwortlichen in
einem desolaten Zustand, dies führt aber nicht zuletzt auch zu einer Verlagerung in andere
rechtsextreme Milieus, das Problem verschwindet dadurch leider nicht. Die NPD hat zuletzt verstärkt
Rechtsrock-Konzerte mitorganisiert, welche auch als Annäherung an militante Gruppen außerhalb
der Partei verstanden werden sollte.
Auch Übergriffe durch Neonazis kommen leider immer wieder vor und dabei gab es in der
Vergangenheit auch in Hessen leicht und schwer Verletzte. Ein Vorfall dieser Art ereignete sich im
vergangenen November in der Friedberger Altstadt. Dabei ging eine Gruppe junger Rechter aus der
Region gezielt auf die Jagd nach Personen, die sie als politische Feinde betrachten oder die nicht
„deutsch genug“ aussahen. Nur durch die sofortige Alarmierung der Polizei und das Eingreifen
mehreren engagierten Bürger*Innen konnte verhindert werden, dass jemand schwer verletzt wurde.
Die Rolle der Polizei ist dabei immer wieder ambivalent. Auf der einen Seite waren schnell Beamte
vor Ort und griffen ein, was wohl dazu beigetragen hat, dass Schlimmeres verhindert wurde, auf der
anderen Seite wurde durch die Polizeipresse versucht, den Tathergang als „normale Schlägerei“
darzustellen. Das wirft die Frage auf, wie viele Gewaltdelikte eigentlich einen rechtsextremen
Hintergrund haben, aber nicht öffentlich als solche benannt werden.
Aus Berichtsanträgen, die die SPD Landtagsfraktion gestellt hat, geht hervor, dass die rechtsextreme
Szene über eine erhebliche Anzahl von legalen und illegalen Schusswaffen, teilweise sogar
Kriegswaffen, zu verfügen scheint und in der Vergangenheit verfügt hat. Dagegen muss vorgegangen
werden, denn das gefährdet unser aller Sicherheit!
Die Präventionsarbeit und der Opferschutz sind erst durch das neueste Bundesprogramm auch in
Hessen angekommen, die Landesregierung hatte bisher diesen Bereich der Arbeit gegen Rechts völlig
vernachlässigt. Die Verbesserungen sind zu begrüßen, aber trotzdem bleibt noch viel zu tun, auch in
diesem Bereich ist Hessen anderen Bundesländern weit hinterher.
Auch bei der SPD müssen wir Jusos immer wieder dafür Sorgen das sich die SPD klar positioniert.
Gesprächsangebote und Verständnisbekundungen für Menschen, die rechtspopulistischen
Forderungen hinterher rennen, sorgen dafür, dass diese Ideen in der Gesellschaft wieder als normal
und legitime Meinung betrachtet werden. Wir Sozialdemokrat*Innen können und dürfen keine
Kompromisse bei diesem Thema machen.