Für uns sind Steuern eines der wichtigsten Instrumente um eine gerechte Chancengesellschaft
durchzusetzen. Dabei tragen Steuern einerseits zu einer gerechten Finanzierung des Gemeinwesens
bei. Dazu gehört die soziale Infrastruktur wie Schulen und andere Bildungsstätten, die
Gesundheitsversorgung, öffentlicher Sicherheit, öffentliche Netzinfrastruktur wie
Telekommunikationsleitungen oder Straßen und das Vorhalten von Sozialleistungen. Steuern können
aber auch als Anreiz für ein politisch gewünschtes Verhalten dienen und haben insoweit erhebliche
Lenkungswirkung, oft ohne die einschneidende Wirkung von Geboten und Verboten. Der Erfolg
progressiver Reformansätze hängt ganz maßgeblich davon ab, zu vereinfachen, mehr
Sozialstaatlichkeit zu erreichen, mittlere Einkommen zu entlasten und die stetige Reproduktion von
Vermögensungleichheit zu bremsen. Zahlreiche Mängel des deutschen Steuersystems sind gerade
darauf zurückzuführen, dass ihm eine einheitliche Idee fehlt. Vielmehr ist es ein Kompromiss aus
verschiedenen teilweise gegensätzlichen (gesellschaftspolitischen) Prinzipien wie dem
Äquivalenzprinzip („Wer gesellschaftliche Kosten verursacht, zahlt die Steuer“) oder dem
Leistungsfähigkeitsprinzip („Starke Schultern können mehr tragen“), aus unterschiedlichen
steuerpolitischen Denkschulen (direkte Steuern: die wirtschaftliche Belastung trägt derjenige, der die
Steuer zahlt, indirekte Steuern: die wirtschaftliche Belastung trägt nicht derjenige, der die Steuer
zahlt), aus individuellen Sonderinteressen, Einzelfallregelungen und vereinzelten Veränderungen
nach jedem Regierungswechsel. Steuerpolitische Reformen können nur gesellschaftliche Mehrheiten
hinter sich versammeln, wenn die politische Idee statt der technischen Lösung im Vordergrund steht.
Im Einzelnen sind uns folgende Eckpunkte wichtig. Sie sind als neue Grundausrichtung des
Steuersystems, nicht als abschließende Aufzählung zu verstehen: Die einseitige Entlastung von
hohen Einkommen und die Ungleichbehandlung von Kapitaleinkommen halten wir für einen
politischen Irrweg. Der Glauben das man nur hohe Einkommen entlasten müsse um das allgemeine
Wachstum zu stimulieren ist nicht nur widerlegt, sondern die Reformen die darauf basierten haben
zudem die soziale Ungerechtigkeit verschärft und gefährden so den sozialen Frieden. Das gilt nicht
nur, aber auch, für Deutschland.
Das deutsche Steuersystem muss reformiert werden. Es muss sozial gerechter gestaltet werden.
Einerseits muss es den Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips (darunter
Einzelfallgerechtigkeit) genügen, aber gleichzeitig auch vereinfacht werden. Das
Leistungsfähigkeitsprinzip beschreibt zwei Gerechtigkeitsebenen, einerseits sollen Menschen mit
gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gleich besteuert werden (horizontale Gerechtigkeit) und
anderseits Menschen mit unterschiedlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit unterschiedlich
besteuert werden (vertikale Gerechtigkeit).
Daher fordern wir:
Ein Steuersystem muss dem Gerechtigkeitsempfinden der breiten Masse der Bevölkerung gerecht
werden, die Finanzierung des Staates sicherstellen und gleichzeitig vereinfacht werden.
Kernelemente eines solchen Steuersystems sind:
1. Eine Einkommensteuer als Hauptsäule des Steuersystems
a. Keine Differenzierung nach Einkommensarten, der Steuersatz steigt mit dem
Einkommen progressiv an
b. Absenken der Umsatzsteuer und Kompensation über Anhebung des Spitzensatzes
auf über 50 %
c. Der Steuerfreibetrag wird beibehalten
d. Abzugsmöglichkeiten für Kinder, pflegebedürftige Verwandte und andere besondere
Belastungen
e. Berücksichtigung von Werbungskosten
f. Abschaffung des sog. „Ehegatten-Splittings“
g. deutliche Milderung / Abschaffung der kalten Progression
2. Eine Erbschaftsteuer (und Schenkungsteuer) zur Umverteilung, die ein Auseinanderklaffen der
Schere zwischen Arm und Reich verhindert
a. Höchsterbschaften in Höhe von 1 Mio. EUR durch 100 % Steuersatz ab einem
Freibetrag von 1 Mio. EUR für nahe Angehörige; die Höhe des Vermögens wird im
Erbfall ermittelt; die Erbschaftssteuer fällt auch auf vererbten Grundbesetz an
b. Differenzierung nach Familiengrad
c. Unternehmen soll die Wahl zwischen zwei Alternativen gelassen werden:
i. Die Möglichkeit für kleine bis mittelständische Familienbetriebe, eine
anfallende Steuerlast in Raten über bis zu 20 Jahre gestückelt an den Staat
zu entrichten. Dabei ist der Zins für Staatsanleihen zu Grunde zu legen.
ii. Der Staat erhält eine stille Beteiligung am Unternehmen in Höhe der
Steuerlast. Als stiller Teilhaber erhält er eine Beteiligung an der
Gewinnausschüttung. Die Erben können den Staat über die Zeit
entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit ausbezahlen und damit
wieder Volleigentümer werden.
3. Indirekte Steuern hauptsächlich als Lenkungssteuern
a. Eine echte Emissionsteuer auf europäischer Ebene, die zwar an den Energieträgern
anknüpft, die aber vorrangig deren negativen Umweltauswirkungen betrachtet
(alternativ: ausreichend verknappte Umweltzertifikate)
b. Eine europäische Finanzmarkttransaktionssteuer
c. Ferner: Alkohol- und Tabakbesteuerung
d. die Abschaffung / Absenkung der Umsatzsteuer und aller weiteren nicht positiv in
einem entsprechenden Gesetz ausgenommen Verbrauchssteuern
Mithin gibt es drei Ziele bei der Steuererhebung:
1. Das Einnahmeziel: Die vom Staat benötigten Einnahmen erzielen
2. Das (Um-)Verteilungsziel: Gesellschaftliche Umverteilung (von oben nach unten)
3. Das Lenkungsziel: Durch Steuern gewünschtes Verhalten hervorrufen, volkswirtschaftliche
Kosten berücksichtigen u.ä.
Diese Ziele sind mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem Einfachheitsziel zu verknüpfen. Ein
reformiertes Steuersystem soll stärker an direkten Steuern ausgerichtet sein.
Direkte Steuern als Hauptsäule für Staatseinnahmen und Umverteilung
Hauptsäule des Steuersystems soll die Einkommensteuer bilden. Sie dient sowohl als
Haupteinnahmequelle des Staates und kann gleichzeitig wesentlich zur Umverteilung beitragen.
Dazu muss die Einkommensteuer progressiv gestaltet sein, der Spitzensteuersatz muss deutlich
erhöht werden (auf über 50 %). Weiterhin sollen alle Formen des Einkommens – gemäß des Prinzips
der horizontalen Gerechtigkeit – gleich besteuert werden. Es darf keine Bevorzugung von
Kapitaleinkommen gegenüber Arbeitseinkommen geben. Sie soll in Zukunft nicht mehr in Form von
Stufentarifen dargestellt werden, sondern individuelle Steuersätze sollen zu Grunde gelegt werden.
Dies gelingt, indem die großen Sprünge des jetzigen Stufenmodells durch einen kontinuierlich mit
dem Einkommen ansteigenden Tarif ersetzt werden. Dadurch wird die kalte Progression zwar nicht
gänzlich abgeschafft, in ihrer Wirkung allerdings um ein Vielfaches gedämpft. Abschließend
abgeschafft werden kann die kalte Progression durch eine regelmäßige bzw. kontinuierliche
Anpassung (Anhebung) des Grundfreibetrags und der darüber anfallenden Steuersätze. Eine
automatische Anpassung kann beispielsweise durch eine Indexierung erfolgen, in der die
Einkommensteuersätze an die Inflation gekoppelt und so automatisch angepasst werden.
Die Einkommensteuer soll auch auf ausgeschüttete Gewinne von Unternehmen anfallen. Zugrunde
gelegt wird dabei der individuelle Steuersatz der Gewinnempfänger. Werden die Gewinne im
Unternehmen belassen, also nicht ausgeschüttet, fällt eine proportionale Steuer an – die
Körperschaftsteuer – mit einem pauschalen Steuersatz von 15%. Bei Ausschüttung von Gewinnen ist
die Körperschaftsteuer anrechenbar. Investitionen von Unternehmen werden dadurch nicht
beeinflusst. Aus Nachfrageperspektive investieren Unternehmen solange die Rendite
gewinnbringend und höher ist als bei alternativen Anlageformen.
Für Privathaushalte gilt: Das Ehegatte-Splitting ist abzuschaffen. Es begünstigt die „traditionelle Ehe“
im Vergleich zu anderen Formen von Partnerschaften und ist damit nicht mehr zeitgemäß. Weiterhin
begünstigt sie innerhalb von Ehen eine ungleiche Einkommenserzielung und fördert damit die
veralteten Rollen des „arbeitenden Mannes“ und der „ kinderhütenden Hausfrau“. Der Gedanke der
horizontalen Gerechtigkeit, der die Ehe zweier Personen als wirtschaftliche Einheit und sie daher ins
Verhältnis setzt zu zwei Alleinstehenden mit jeweils der Hälfte des Einkommens, kann diese Nachteile
nicht wettmachen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Progressionskappung. Ein
gesellschaftlicher oder volkswirtschaftlicher Gewinn durch die Begünstigung der Ehe ist nicht
vorhanden. Wichtiger sind hier Abzugsmöglichkeiten für Kinder in Form von Kinderfreibeträgen bzw.
Kindergeld o.ä.
Ebenso müssen Kosten, die zur Erzielung des Einkommens anfallen, (in gewissem Maße) abzugsfähig
bleiben. Weiterhin muss sie einen Freibetrag enthalten, der steuerfrei bleibt (Grundfreibetrag).
Daneben braucht es noch eine Erbschaftsteuer. Diese dient vor allem gesellschaftlicher
Umverteilung. Sie soll vor diesem Hintergrund verhindern, dass Vermögen und Reichtum stetig
reproduziert und immer stärker auf wenige Menschen konzentriert werden. In einer
Chancengesellschaft sollen Menschen unabhängig von der Leistung von Eltern, Großeltern die
gleiche Möglichkeit auf sozialen Aufstieg haben. Die Freibeträge können wie bislang nach
Familiengrad differenziert werden, für nahe Angehörige können Freibeträge von 1 Mio. Euro
umgesetzt werden und das Umverteilungsziel dennoch erreicht werden. Dazu muss der Steuersatz
nach Freibeträgen bei 100 % liegen. Werden Einkommensteuer und Erbschaftsteuer wie
beschrieben umgesetzt, entfällt eine Vermögensteuer. Sie ist ohnehin in der Umsetzbarkeit
aufgrund des Aufwandes einer Erbschaftsteuer unterlegen. Die Freibeträge sollen in dieser Form
auch ohne Ausnahme für Familienbetriebe gelten. Ihnen wird jedoch die Möglichkeit eröffnet, eine
anfallende Steuerlast in Raten über bis zu 20 Jahre gestückelt an den Staat zu entrichten, dabei ist
der Zins für Staatsanleihen zu Grunde zu legen. Die Erbschaftsteuer greift auch bei Schenkungen.
Indirekte Steuern als Lenkungssteuern
Indirekte Steuern können zwar dem Einnahmeziel dienen, nicht aber dem Umverteilungsziel von
Steuern. Die Umsatzsteuer belastet im Gegenteil über alle Maßen die unteren Einkommensschichten.
Die Umsatzsteuer soll in mehreren Stufen abgebaut werden und die Einnahmen durch das höhere
Aufkommen aus der Erbschaftssteuer und der Einkommenssteuer kompensiert werden. Gemessen
am verfügbaren Einkommen werden einkommensschwächere Haushalte benachteiligt. Indirekte
Steuern sind daher v.a. aus Lenkungszwecken zu nutzen. Lenkungssteuern verfolgen hauptsächlich
das Lenkungsziel, Einnahme- und Verteilungsziel sind nachrangig. In diesem Rahmen sind Tabak- und
Alkoholsteuern einzuordnen – volkswirtschaftliche Kosten werden darüber internalisiert, negative
externe Effekte anhand von speziellen Konsumsteuern im Preis der jeweiligen Güter abgebildet.
Ähnliches gilt für Umweltbelastungen durch Emissionen. Alternativ zu Energie- oder
Emissionssteuern können hier aber auch Umweltzertifikate genutzt werden. In diesem Fall sind diese
Zertifikate natürlich von politischer Seite entsprechend so stark zu verknappen, dass ihr Marktpreis
tatsächlich die volkswirtschaftlichen Kosten beinhaltet.
Die Wirtschaftskrise hat gezeigt, was passiert, wenn Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert
werden. Um Spekulationen an Finanzmärkten zu reduzieren und Finanzmärkte wieder stärker auf
den Bereich Investitionen in die Realwirtschaft auszurichten, bedarf ein modernes Steuersystem
einer Finanzmarkttransaktionssteuer.
Ein modernes Steuersystem kann nicht auf nationaler Ebene gestaltet werden. Das Steuersystem ist
daher langfristig europaweit zu vereinheitlichen bzw. europäisch umzusetzen. Die hier
angesprochene Struktur kann auch als Grundlage für eine einheitliche bzw. gemeinsame europäische
Besteuerung dienen. Insbesondere gilt die europäische Vereinheitlichung aber auch jetzt schon für
den Bereich der Emissionssteuern bzw. Umweltzertifikate einerseits und andererseits für die
Finanzmarkttransaktionssteuer. Weiterhin sind innereuropäische Steuer-Schlupflöcher zu schließen.
Sollen sich Gesellschaften nicht mehr gegenseitig im Steuerwettbewerb unterbieten, müssen
Barrieren fallen Nationale Grenzen dürfen nicht die Grenzen der Solidarität sein. Über die nächsten
Jahrzehnte wird man daher nicht an der Frage vorbei kommen, wie ein Steuersystem über die Grenze
der EU hinaus international gestaltet werden kann. Auch dafür können Grundsätze des hier
beschriebenen Steuersystems genutzt werden.