Die Bezirkskonferenz möge beschließen:

Seit Jahren Verschärfen sich die sozialen und gesellschaftlichen Konflikte in Stadt und Land. Anspruch sozialdemokratischer Politik muss es sein, eine ganzheitliche Entwicklungsstrategie zu entwickeln. Wir wollen gleichwertige Lebensbedingungen in Stadt und Land.

Nicht selten wird versucht, partiell einzelne, besonders akute Probleme zu Lösen. Verkannt wird jedoch oft, dass die unterschiedlichen Problemlagen im ländlichen Raum einerseits und urbanen Regionen andererseits nur zwei Seiten ein und derselben Medaille darstellen.

Spitzen sich die unterschiedlichen strukturellen Schwierigkeiten auf dem Land zu, verschärfen sich meist im Umkehrschluss die sozialen Problemlagen in der Stadt.

So haben die Aussicht auf sichere Arbeitsplätze, die Versorgung mit Arztinnen und Ärzten, ein bezahlbarer und guter öffentlicher Personen Nahverkehr, sowie schnelles Internet – als nur beispielhafte Aufzählung – unmittelbaren Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung der ländlichen Kommunen.

Sehen immer weniger – gerade junge Menschen – eine Perspektive in ihrem „Heimatort“ ein gutes Leben zu führen, werden sie sich um Wohnalternativen in größeren Städten bemühen. Dies führt unweigerlich zu einem höheren Aufkommen an potentiellen Mieterinnen und Mietern und damit zu einer Verschlechterung der Situation für all jene, die bezahlbaren Wohnraum in Städten wie Frankfurt, aber auch in Metropolregionen, wie dem Rhein-Main-Gebiet, suchen.

Die Rhein-Main-Region wird in den nächsten 15 Jahren unweigerlich um die doppelte Bevölkerungszahl der Stadt Offenbach wachsen. Dieses rasante Wachstum wird die Herausforderungen für die urbane Entwicklung massiv erhöhen und gleichzeitig eine Sogwirkung auf das Land haben.

Wir brauchen daher einen Marshall-Plan, getragen von allen politischen Ebenen, um den ländlichen Raum und unsere Städte, bei aller Verschiedenheit, in Fragen der Infrastruktur, der öffentlichen Daseinsvorsorge und der Lebenshaltungskosten wieder näher aneinander heran zu führen und dem immer weiteren Auseinanderdriften Einhalt zu gebieten.
Dabei ist völlig klar, dass es sozialdemokratischer Anspruch sein muss, eine Infrastruktur und öffentliche Daseinsvorsorge im gesamten Land sicherzustellen, die es Menschen erlaubt aus freien Stücken und ohne soziale Zwänge ihren Wohnort und Lebensmittelpunkt zu bestimmen.

Um dies zu erreichen müssen wir die vielfältigen Probleme in Stadt und Land gemeinsam lösen ohne sie – weder finanziell noch in der politischen Priorität – gegen einander aufzuwiegen.

Stadt und Land zusammen denken, für eine gemeinsame Verkehrsentwicklung

Alle Menschen haben ein Recht auf Mobilität. Die jetzt schon hohe Bevölkerungsdichte in der Rhein-Main-Region, ihr rasantes Bevölkerungswachstum und ihre Bedeutung für Berufspendler zwingen zu einer Neuaufstellung in der Verkehrspolitik. Die Verkehrswende wollen wir dabei aktiv gestalten und sie nicht den freien Kräften des Marktes überlassen. Der Schwerpunkt liegt für uns bei der Aufwertung des öffentlichen Personenverkehrs durch ein flächendeckendes Angebot, schrittweise Kostenfreiheit, Verlässlichkeit und attraktive Taktung. Für dieses Ziel braucht es einerseits zusätzliche Infrastruktur, insbesondere die Reaktivierung und den Ausbau von Schienenstrecken um die unterschiedlichen Mobilitätsansprüche der Menschen zu erfüllen. Hierbei ist der Ausbau durch Erhöhung von Planungskapazitäten und Verkürzung von Planungszeiten zu beschleunigen. Andererseits muss die vorhandene Infrastruktur künftig auch intelligenter ausgelastet werden. Das betrifft gerade das Wechselspiel zwischen unterschiedlichen Verkehrsträgern, die in Zukunft besser auf einander abgestimmt sein müssen, aber auch die Steigerung der Effizienz im motorisierten Individualverkehr (bspw. durch Ridesharing). Wir wollen dabei die Verkehrsentwicklung nicht isoliert denken sondern im Zusammenspiel mit einer ganzheitlichen Regionalentwicklung. Indirekt geht es auch immer darum, Wohnalternativen jenseits des urbanen attraktiv zu machen und damit das dortige Bevölkerungswachstum im Interesse aller zu entschleunigen.

Wir wollen im Ergebnis:

  • mehr Verlässlichkeit und günstigere Preise im öffentlichen Personenverkehr
  • den ländlichen und den urbanen Raum mit dem Regional- und Nahverkehr enger verbinden
  • ein Länderprogramm für Bürgerbusse
  • den Schienenverkehr insbesondere im Nahverkehr ausbauen
  • den Infrastrukturausbau durch Erhöhung von Planungskapazitäten und Veränderungen im Planungsrecht beschleunigen
  • vorhandene Infrastruktur intelligenter auslasten
  • ein integriertes Verkehrskonzept, das unterschiedliche Verkehrsträger zusammen bringt (motorisierter Individualverkehr, Bus und Bahn)
  • keine privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft zum Erhalt und Betrieb der Autobahnen

Bezahlbarer Wohnraum für alle

Alle Menschen haben ein Recht auf bezahlbaren Wohnraum. Fehlender oder unzweckmäßiger Neubau, Verlust von Sozialbindungen und Zweckentfremdung von Wohnraum bei gleichzeitig ansteigender Nachfrage in den Städten haben den Wohnungsmarkt auf den Kopf gestellt. Explodierende Mieten in hessischen Innenstädten werden insbesondere für die zunehmend zum Problem, die nach dem Erwerbsleben keine Aussicht auf hohe Renten haben und aus den Innenstadtbereichen verdrängt werden. Hessen braucht eine Offensive im sozialen Wohnbau und Regeln für den Wohnungsmarkt. Der Neubau muss beispielsweise durch zinslose Kredite an Wohnbaugesellschaften beschleunigt werden. Flächen müssen effektiver genutzt werden, Innenstädte müssen im Ballungsraum viel stärker als bisher verdichtet werden. Bei Bauprojekten müssen höhere Anteile für Sozialwohnungen durchgesetzt werden, Sozialbindungen müssen verlängert werden. Die Zweckentfremdung von Wohnraum muss mit Abgaben belegt werden. Gleichzeitig braucht es Strategien gegen die zunehmende Verknappung von Bauland. Denkbar sind beispielsweise interkommunale Projekte für die sukzessive Verlagerung besonders flächenintensiver Gewerbe (z.B. Logistig) raus aus den Städten.

Wir wollen im Ergebnis:

  • Beschleunigung des Wohnungsbaus durch zinsloses Kredite an Wohnbaugesellschaften
  • ein Landesprogramm mit Fördermitteln für den Wohnungsbau
  • höhere Anteile für Sozialwohnungen bei neuen Bauprojekten
  • Sozialbindungen verlängern
  • Einführung einer Zweckentfremdungsabgabe
  • interkommunale Strategien gegen Wohnraumverknappung

Ja zum ländlichen Raum

Uns darf es nicht darum gehen, die Städte gegenüber dem ländlichen Raum zu bevorteilen. Wir wollen eine echte Wahlfreiheit zwischen Stadt und Land herstellen. Einer Entschärfung der sozialen Konflikte in den Städten steht daher gleichzeitig auch ein Bekenntnis zum ländlichen Raum gegenüber. Hierbei geht es uns vor allem darum, existenzielle Daseinsvorsorge zu erhalten und notfalls wohnortnah im interkommunalen Verbund (insb. Gesundheitsvorsorge) zu sichern. Dörfer müssen im Zuge der Digitalisierung die Chance bekommen wieder neue Arbeitsplätze anzusiedeln. Hierfür muss insbesondere der Breitbandausbau auf dem Land Priorität haben. Dörfer sollen lebenswert bleiben. Hierfür müssen starre Richtwerte für die Zuweisung von öffentlichen Mitteln (insb. im Bildungsbereich) einem Vorhalteprinzip für öffentliche Einrichtungen weichen. Der Staat muss sich auch Dörfer leisten. Und zuletzt muss der öffentliche Dienst durch Dezentralisierung von Verwaltungseinheiten ein Signal gegen den Abzug von Arbeitsplätzen und die Entkernung des ländlichen Raums abgeben. Mehr Jobs in der Fläche können dabei auch ein Beitrag gegen die Verknappung des Wohnraums in der Stadt sein.

Wir wollen im Ergebnis:

  • ein landesweites Dorfernerneuerungsprogramm
  • Erhalt von kommunalen Einrichtungen, wie Bürgerhäuser, Bibliotheken und Schwimmbäder
  • Sicherung wohnortnaher Daseinsvorsorge durch Stärkung und Intensivierung der kommunalen Zusammenarbeit (insb. bei Krankenhäusern und Gesundheitsvorsorge)
  • flächendeckende Versorgung mit Bildungseinrichtungen, Vorhalteprinzip statt starre Richtwerte bei der Zuweisung von öffentlichem Geld
  • Unterstützung für den ländlichen Raum bei Ansiedlung von Arbeitsplätzen (insb. durch Breitbandausbau)

Dezentralisierung von neuen Gerichten und Verwaltungseinheiten, sowie der Erhalt bestehender Einrichtungen