Um auf den großen Mangel an bezahlbaren, bzw. geförderten Wohnraum zu reagieren, fordern wir eine Gesetzgebungsoffensive im hessischen Wohnungsbau, die folgende Punkte umfasst:

  •  Rekommunalisierung von privatisierten Wohnungen. Dafür müssen neben sich im Besitz
     der öffentlich Hand befindlichen Wohnungsgesellschaften auch nicht gewinnorientierte
     Genossenschaften und Mietergemeinschaften beim Rückkauf von Wohnungen gefördert
     werden. 
  •  Sozialbindung bei gefördertem Wohnraum von mindestens 50 Jahren, ohne vorherige
     Möglichkeit die Wohnung aus der Bindung zu kaufen.
  •  Verkauf von Landeseigentum nur nach Konzept und nicht nach Höchstpreis
  •  Vergesellschaftung der Wohnungen von Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht
     (unabhängig von der Rechtsform und eingeschlossen der Töchter und nachgeordneten
     Wohnungsunternehmen) die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen. Die Höhe der
     Entschädigung ist gemäß Art. 15 des Grundgesetzes unterhalb des Marktwertes
     anzusetzen. Betroffene Wohnungen werden anschließend ausschließlich im geförderten
     Bereich liegen.
  •  Schaffung von zusätzlich 10.000 Wohneinheiten für Studierende (im geförderten
     Bereich) in hessischen Universitätsstädten bis 2023
  •  Schaffung von mindestens 8.000 Wohnungen jährlich im geförderten Bereich. Dabei  sollte der Schwerpunkt auf hessischen Ballungszentren liegen.
  • Erarbeiten eines Programms der Landesregierung zur Attraktivitätssteigerung des ländlichen Raums (Bsp. Glasfaserleitungen auch im ländlichen Raum verlegen, ÖPNV im ländlichen Raum ausbauen).
  • Einführung eines Planungswertausgleichs, der 80% der Wertsteigerung von Grundstücken durch eine geänderte Bauleitplanung besteuert

Um diese Ziele erreichen zu können, braucht es neben Investitionen auch eine Weiterentwicklung des Bauplanungsrechts. Gemäß der Studie „Urbanes Wohnen – Neue Wohnraum Potenziale“ der TU Darmstadt und dem Pestel- Institut Hannover, fordern wir folgende Anpassungen von bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Vorgaben, um einen möglichst hohen Anteil an zusätzlichem, bezahlbarem Wohnraum ohne neuen Flächenverbrauch zu schaffen:

  • Entwicklung von urban angemessenen Geschossflächenzahlen (GFZ) und Grundflächenzahlen(GRZ) sowie von quartiersbezogenen Planungszielen, z.B. über einen „Quartiersplan“.
  • Schaffung von planungs- und ordnungsrechtlichen Leitlinien für das Quartier. Identifikation der Potenziale im Detail und Festlegung der städtebaulichen, gestalterischen und nachbarschaftlichen Verträglichkeit als Grundlage der Gebäudeplanung.
  • Zulassung der Überschreitung der zulässigen Geschossflächenzahl (GFZ) für Aufstockungen ohne Ausgleichsmaßnahmen.
  • Erleichterungen im Genehmigungsverfahrens zur Nutzungsänderung im Bestand hin zu einer Wohnnutzung.
  • Einzelfallbetrachtungen von Lösungen im Bestand bei Zielkonflikten mit Anforderungen für den Neubau.
  • Einrichten einer zentralen Anlaufstelle als einheitlicher Ansprechpartner auf kommunaler Ebene.

Anpassungen im Bauordnungsrecht:

  • Reduktion von Anforderungen (z.B. im Bereich Schall, Wärme, Barrierefreiheit) im Sinne der Wohnraumschaffung für Aufstockungen, wenn die statischen und technischen Voraussetzungen nachgewiesen werden.
  • Stellplatzforderungen wegen sich wandelndem Mobilitätsverhaltens bei Aufstockungen mit Ausnahmen versehen oder entfallen lassen. Hier sollte der Ermessensspielraum der Kommunen für flexible Regelungen gestärkt werden. (Carsharing- Modelle statt Stellplatzverordnung wegen verändertem Nutzerverhalten)
  • Fallbezogene Einschätzung des Emissionsschutzes unter Berücksichtigung von technischen Möglichkeiten der Kompensation.
  • Reduktion der Anforderungen der Abstandsflächenregelungen, soweit deren gestalterische,städtebauliche, technische und nachbarrechtliche Verträglichkeit sichergestellt ist.
  • Bauordnungsrechtliche Gleichbehandlung aller Baustoffe für tragende und aussteifende Bauteile,wenn diese die Schutzziele, insbesondere des Brandschutzes, gemäß der Bauordnungen erfüllen.

Finanzielle Anreize für flächenschonende Wohnbaumaßnahmen

Um Aufstockungen, Umwandlungen und Verdichtungen in Gebieten mit erhöhtem Wohnraumbedarf zu unterstützen, ist eine ggf. temporäre auf die Nachfrage vor Ort angepasste Förderung sinnvoll:

  • Förderung von Vorhaben (Aufstockung, Umnutzung) kommunaler und genossenschaftlicher Unternehmen über eine Investitionszulage in Höhe von 15% (Herstellungskosten).
  • Förderung des Mietwohnungsbaus auch außerhalb der Regionen mit den Mietenstufen IV bis VI, wenn dieser durch Aufstockung oder Umnutzung von Nichtwohngebäuden erfolgt.

Begründung

Im Kapitalismus zählt die Rendite mehr als Bedürfnisse und die Lebensverhältnisse der Menschen. Daher geht es bei der Frage nach bezahlbarem Wohnraum auch um die Überwindung des marktradikalen Kapitalismusmodells, das in Deutschland seit Jahrzehnten besteht. Daraus ergibt sich nur ein Schluss: Man muss die Wohnungsversorgung dem Markt entziehen, zum Beispiel durch Verstaatlichung, Vergesellschaftung oder Enteignung. Grund und Boden sind nicht länger den ungezügelten Marktkräften auszusetzen, sondern wie Luft und Wasser als Grundrecht jedes Menschen zu betrachten.

Die Möglichkeiten einer Enteignung sind in Art. 15 i. V. m. Art. 14 Abs. 3 Grundgesetz geregelt: „Grund und Boden […] können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“

Enteignungen sind nach dem Grundgesetz somit eindeutig erlaubt, wenn sie dem Wohle der Allgemeinheit dienen (Artikel 14 Absatz 3). Der*die ehemalige Eigentümer*in muss dabei gleichzeitig eine Entschädigung erhalten. Diese Entschädigungen sind in ihrer Höhe allerdings unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Gegen die Höhe der Entschädigung können Personen oder Unternehmen anschließend klagen. Die Ausgleichszahlung kann somit auch weit unter dem aktuellen Marktwert liegen, wenn die Enteignung dem Wohle der Allgemeinheit dient. Die Hessische Verfassung geht mit ihrem Sozialisierungsartikel noch weiter. Dort heißt es „Gemeineigentum ist Eigentum des Volkes. Die Verfügung über dieses Eigentum und seine Verwaltung soll nach näherer gesetzlicher Bestimmung solchen Rechtsträgern zustehen, welche die Gewähr dafür bieten, dass das Eigentum ausschließlich dem Wohle des ganzen Volkes dient und Machtzusammenballungen vermieden werden.“

Um die Frage zu beantworten, ob Verstaatlichungen, Vergesellschaftungen oder Enteignungen dem Wohl des Volkes dienen und somit notwendig bzw. erlaubt sind, muss die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt betrachtet werden. Daneben muss bewertet werden, welche Anstrengungen die Politik bereits unternommen hat, um die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu ermöglichen und vor allem, wie erfolgreich diese Anstrengungen gewesen sind.

Nach dem Property Index 2018 ist Deutschland Spitzenreiter beim Kaufpreiswachstum – in keinem anderen der 14 Vergleichsländer zogen die Preise für Wohneigentum so stark an wie hierzulande.[1] Während Frankreich innerhalb eines Jahres rund 500.000 Wohneinheiten geschaffen hat, liegt die Zahl in Deutschland bei gerade einmal 285.000 Einheiten und somit bei knapp der Hälfte. Der Bestand an Sozialwohnungen nimmt seit Jahrzehnten immer weiter ab. Die Situation in Hessen ist nicht anders. Laut Ministerium haben in Hessen im vergangenen Jahr 50.252 Haushalte eine Sozialwohnung gesucht. Der Bestand an Sozialwohnungen ist dagegen im vergangenen Jahr erneut zurückgegangen und sank gegenüber dem Vorjahr um acht Prozent auf 85.484 Wohnungen in Hessen.[2] Weiterhin ermöglicht die Schwarz-Grüne Landesregierung kein Zweckentfremdungsverbot. Zu viele bürokratische Hürden und Bauvorschriften erschweren zusätzlich günstiges und schnelles Bauen. Statt vorhandene Landesflächen für die Bebauung mit günstigem Wohnraum zu sichern, werden diese nicht nach Konzept, sondern nach Höhe des Kaufpreises vergeben. Bestes Beispiel für das Versagen der Landesregierung ist der Verkauf des Alten Polizeipräsidiums für über 212 Millionen Euro an einen privaten Investor, der nun Luxuswohnungen auf ehemals staatlichen Grund errichtet. Weitere prominente Beispiele für die völlig verfehlte Wohnungspolitik sind die neuen Luxustower in Frankfurt wie der Grand Tower (bis zu 19.000 Euro pro Quadratmeter), der „Omniturm“ (verkauft an einen privaten Investor für 700 Mio. Euro), oder „One Forty West“ und „99 West“ die skandalöser Weise auf dem Gelände des ehemaligen „AfE Turms“ der Goethe-Universität errichtet werden und die Gentrifizierung Bockenheims weiter vorantreiben.

Die Lage in Frankfurt ist insgesamt äußerst angespannt. Die Kosten für neu vermietete Wohnungen sind in 10 Jahren um 42 Prozent auf nun 13,80 Euro pro Quadratmeter gestiegen.[3] Besonders studentisches Wohnen wird stetig unerschwinglicher. Obwohl das Studentenwerk [sic!] in den vergangenen fünf Jahren mehr als 600 Wohneinheiten gebaut und mehr als 500 Plätze angemietet hat, gebe es nur etwa für sieben Prozent der Studierenden im Rhein-Main-Gebiet einen öffentlich geförderten Wohnheimplatz. Bundesweit liegt der Schnitt bei zehn Prozent.[4] Es fehlen in Frankfurt weiterhin 30.000 Wohnungen. Wohnungen in allen Preiskategorien. Bis 2040 werden 106.438 Wohnungen benötigt. 9583 Haushalte sind beim Amt für Wohnungswesen offiziell als Suchende für Sozialwohnungen registriert.

Auf Grund der beschriebenen Entwicklungen im Wohnungsbereich, fordern wir dieses Maßnahmenpaket, um Wohnen dauerhaft erschwinglich zu halten; für alle Menschen!

[1]https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/property-index-2018-der-europaeische-immobilienmarkt-im-vergleich-wohnen-in-deutschland-noch-immer-erschwinglich-6659371

[2]https://www.hr-inforadio.de/programm/das-thema/sozialwohnungen-in-hessen,sozialwohnungen-100.html

[3]https://de.statista.com/statistik/daten/studie/262508/umfrage/mietpreise-in-frankfurt-am-main/

[4]http://www.fr.de/frankfurt/wohnen/studieren-in-frankfurt-viel-zu-wenige-wohnheimplaetze-a-15844466