Der am 08. März vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ sieht eine Verschärfung des Strafrahmens bei „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ (§ 113 StGB) und die Einführung eines neuen Deliktes „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ (zukünft. § 114 StGB) vor. Ziel soll dabei der Schutz von Vollstreckungsbeamt*innen sein. Die neuen Regelungen fallen jedoch eher unter symbolisches Strafrecht und führen zu einer extremen Ungleichheit.

Vollstreckungsbeamt*innen und Rettungskräfte verdienen unseren Respekt und unsere Anerkennung für den Einsatz in unserer Gesellschaft. Ihr Schutz im Dienst ist auch uns ein wichtiges Anliegen. Dabei muss jedoch das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz gewahrt bleiben.

Unabhängige Statistiken schaffen – postfaktische Debatte verhindern

Derzeit wird die zunehmende Gewalt gegen Polizeibeamt*innen mit der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) belegt. Aus dieser ließe sich tatsächlich ein erheblicher Zuwachs an Gewalttaten gegen Beamt*innen ablesen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Statistik sehr viel Interpretationsspielraum lässt und undurchsichtig ist. So fließt jede zur Anzeige gebrachte Handlung in die Kategorie „Polizeivollzugsbeamtinnen/-beamte als Opfer“ ein, sodass eine einzelne Handlung auch mehrfach gezählt werden kann, wenn sie von mehreren Beamt*innen gleichzeitig angezeigt wird. Die gezählten Handlungen müssen dabei auch nicht zwangsläufig rechtswidrig gewesen sein, da sie unabhängig vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens gewertet werden. Eine gezielte Sensibilisierung der Beamt*innen hat zudem dazu geführt, dass in den letzten Jahren auch kleinste Delikte zur Anzeige gebracht werden, was einen Anstieg in der Statistik zur Folge hat. Diese Sensibilisierung ist grundsätzlich begrüßenswert, darf aber nicht zur gezielten Beeinflussung von Gesellschaft und Politik missbraucht werden. Sogar aus Kreisen der Polizeiakademien wird die Notwendigkeit von Strafverschärfungen deutlich in Frage gestellt. Unabhängige Statistiken könnten dabei endlich objektiv bewerten, wie stark Vollstreckungsbeamt*innen Opfer von Gewalt betroffen sind und die Effektivität von Gegenmaßnahmen messen. Die aktuelle Debatte dreht sich allerdings um eine gefühlte Realität und lässt sich wissenschaftlich nicht belegen.

Wir fordern daher:

  • die Schaffung von unabhängigen, detaillierten Statistiken zur Gewalt gegen Vollstreckungsbeamt*innen

Bestehendes Recht durchsetzen

Natürlich ist jeder rechtswidrige Übergriff auf Vollstreckungsbeamt*innen inakzeptabel. Ausreichende rechtliche Mittel zum Schutz sind allerdings bereits vorhanden; bestehendes Recht muss daher effektiver durchgesetzt werden. Rechtspflegeorgane müssen personell und finanziell in die Lage versetzt werden, schneller und effektiv zu arbeiten. Sparmaßnahmen und der personelle Abbau im Justizsektor müssen beendet werden. Die derzeitigen Strafen für Nötigung, Körperverletzung, Beleidigung etc. bieten bereits die Möglichkeit Vollstreckungsbeamt*innen, Rettungsdienst- und Feuerwehrkräfte effektiv zu schützen. Es braucht daher zusätzlich eine besondere Sensibilität zum Schutz von Menschen, die unserem Gemeinwohl dienen.

Wir fordern daher:

  • faire Löhne und eine Verringerung der Arbeitszeit für Vollstreckungsbeamt*innen, Rettungsdienst- und Feuerwehrkräfte
  • Sensibilität bei der Auslegung geltenden Rechts und eine Nutzung des vollen Strafrahmens zum Schutz von Menschen, die dem Gemeinwohl dienen

„Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“

Mit der Einführung des neuen Delikts „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ wird die Strafe bei tätlichen Angriffen gegen Vollstreckungsbeamt*innen auf drei Monate bis fünf Jahre Haft angesetzt, Geldstrafen sind nicht möglich. Ein tätlicher Angriff ist dabei jede aktive Handlung gegen den Körper der Beamt*innen. Kleinste Widerstandshandlungen, beispielsweise bei Festnahmen und Schmerzgriffen oder ein leichtes Schubsen während einer gedrängten Demonstration, können so schon beim Versuch und ohne Schaden zu mindestens drei Monaten Haft führen. Das Konzept „Staatsbürger*in in Uniform“ geht durch diese Sonderbehandlung völlig verloren. Opfer von Polizeigewalt könnten dagegen durch die drohenden Strafen bei einer Gegenanzeige, die gängige Praxis sind, zusätzlich eingeschüchtert werden und auf den Gebrauch ihres Rechts verzichten. Vergleichbare Mindeststrafen gibt es dabei zum Beispiel für gefährliche Körperverletzung oder dem sexuellen Missbrauch von Kindern. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist hier nicht mehr zu erkennen; der Nutzen der Verschärfung bleibt fragwürdig.

  • Wir lehnen deshalb die Einführung des Delikts „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ o.ä. ab

Strafverschärfung bei „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“

Zusätzlich zur Einführung des Delikts „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ soll auch § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) verschärft werden. Die Regelung zu besonders schweren Fällen soll dann auch für das neue Delikt gelten. So erhöht sich die Mindeststrafe bei gemeinschaftlichem Widerstand oder tätlichem Angriff und dem bloßen Mitführen eines gefährlichen Gegenstands (auch dessen Einsatz oder der bloßen Absicht dazu) bei einer solchen Handlung auf sechs Monate Haft. Als gefährlicher Gegenstand könnte dabei bereits festes Schuhwerk zählen. Beide Verschärfungen führen zwangsläufig zu Auslegungsschwierigkeiten und sind in ihrer Verhältnismäßigkeit ebenfalls höchst fragwürdig. Zudem nahm die Zahl der Widerstandsfälle gegen Vollstreckungsbeamt*innen in den letzten Jahren deutlich ab, was auch den Zweck der Verschärfung in Frage stellt.

  • Wir lehnen deshalb die Gesetzesverschärfung des § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) o.ä. ab

Respekt und Anerkennung für gemeinnützigen Einsatz

Polizist*innen, Rettungsdienst- und Feuerwehrkräfte verdienen Respekt und Anerkennung. Dazu gehören aber auch alle anderen Menschen, die unserem Gemeinwohl dienen aber keine strafrechtliche Sonderbehandlung genießen, obwohl gegen diese die Gewalt gefühlt ebenfalls zugenommen hat – wie Lehrer*innen, Politiker*innen, Verwaltungsbeamt*innen und viele andere Berufsgruppen. Das Strafrecht ist allerdings kein geeignetes Mittel zur Wertschätzung von Leistungen für die Gesellschaft. Statt symbolischem Strafrecht braucht es echte Maßnahmen der Anerkennung. So müssen Vollstreckungsbeamt*innen, Rettungsdienst- und Feuerwehrkräfte endlich zeitlich entlastet und gerecht entlohnt werden. Auch als Partei dürfen wir den Einsatz für unsere Gesellschaft nicht als selbstverständlich erachten und müssen gute Arbeit als solche anerkennen und benennen und auch gesamtgesellschaftlich in allen Bereichen für mehr Solidarität und Gerechtigkeit streiten um Respektlosigkeit und daraus resultierende Gewalt zu bekämpfen.