Der Salafismus gilt sowohl in Deutschland als auch auf internationaler Ebene als die zurzeit dynamischste islamistische Bewegung. In Deutschland verzeichnet das salafistische Spektrum seit Jahren steigende Anhängerzahlen.

Um diesem Trend entgegen zu wirken, wird ein

gesamt-gesellschaftlicher, ressortübergreifender ganzheitlicher Ansatz von Schule, Jugendhilfe und anderen zivilgesellschaftenlichen Akteuren zur Prävention notwendig.

Hierfür bedarf es eine Reihe an Präventionsmaßnahmen:

  • eine Bundesstelle für islamistische Prävention, die gemeinsam mit den Ländern koordinierend tätig ist
  •  Ausbau der Imam-Ausbildung und der islamisch-theologischen Lehrstühle an hessischen Universitäten
  • Fortbildungen für Pädagog*innen für Prävention und Früherkennung von islamistischer Radikalisierung
  • Ein*e geschulte*r Ansprechpartner*in pro Schule um individuelle Präventionsansätze zu entwickeln und beratend tätig zu werden.
  • Mehr Sozialarbeiter*innen an Schulen
  • Ausbau staatlicher muslimischer Gefängnisseelsorge
  • Staatliche Deradikalisierungsprojekte durch Sozialarbeiter*innen speziell in JVAs
  • Ethnologie als Unterrichtsfach um interreligiöse und transkulturelle Kompetenzen zu fördern
  • Ausbau der staatlichen Förderung für Präventions- und Deradikalisierungsprogramme wie beispielsweise das „Violence Prevention Network“ oder „Heroes“

Die Maßnahmen sollten in Zusammenarbeit mit diversen muslimischen Verbänden koordiniert werden.

Begründung:

Die islamistische Ideologie geht von einer göttlichen Ordnung aus, der sich Gesellschaft und Staat unterordnen müssen. Dieses „Islam“-Verständnis steht im Widerspruch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung. Verletzt werden dabei vor allem die demokratischen Grundsätze der Trennung von Staat und Religion, der Volkssouveränität, der Gleichstellung der Geschlechter sowie der religiösen und der sexuellen Selbstbestimmung.

Unter dem Oberbegriff „Salafismus“ versteht man eine vom Wahhabismus geprägte

moderne islamistische Ideologie, die sich an den Vorstellungen der ersten

Muslime und der islamischen Frühzeit orientiert. Der Wahhabismus ist eine auf

Muhammad Ibn Abdalwahhab (1703 bis 1792) zurückgehende und in Zentralarabien

(Najd) entstandene Lehre.

Salafisten geben vor, ihre religiöse Praxis und Lebensführung ausschließlich

an den Prinzipien des Koran und dem Vorbild des Propheten Muhammad und der frühen Muslime, der sog. „rechtschaffenen Altvorderen“ (arab. al-salaf

al-salih, d. h. die ersten drei Generationen des Islam), auszurichten. Ziel von

Salafisten ist jedoch die vollständige Umgestaltung von Staat, Rechtsordnung und

Gesellschaft nach einem salafistischen Regelwerk, das als „gottgewollte“ Ordnung

angesehen wird. In letzter Konsequenz soll ein islamischer „Gottesstaat“

errichtet werden, in dem wesentliche, in Deutschland garantierte Grundrechte und

Verfassungspositionen keine Geltung haben sollen.

Die Übergänge zwischen Salafismus und „Jihadismus“ sind fließend.

Das BKA registrierte bis Anfang 2016 rund 800 Personen, die in den vergangenen Jahren nach Syrien oder in den Irak ausgereist sind und sich vor Ort Terrorgruppen wie der Miliz Islamischer Staat (IS) oder der Al-Nusra-Front angeschlossen haben. Im Durchschnitt handelt es sich bei den Ausreisenden aus Deutschland um Männer im Alter zwischen 22 und 25 Jahren. Mehr als 60 Prozent besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft. Etwa zehn Prozent gingen zum Zeitpunkt der Ausreise noch zur Schule. Rund ein Sechstel der Personen ist zum Islam konvertiert. Und zwei Drittel der Ausgereisten hatten bereits Straftaten begangen. Die Zahl der weiblichen Ausreisenden steigt stetig an und liegt derzeit bei einem Drittel.

Der Psychologe Ahmad Mansour sieht Radikalisierung als ein Prozess an, der nicht von heute auf morgen passiert:

„Dieser Prozess fängt häufig mit Entfremdung – einem psychischen Zustand – an. Die Jugendlichen sind unglücklich oder unzufrieden in ihrem Leben, sie haben oft wenige soziale Kontakte oder kein starkes soziales Umfeld; vielleicht haben sie auch einen gescheiterten Übergang von Schule zum Berufsleben erlebt oder sie haben eine frustrierende, erfolglose Suche nach einem Ausbildungsplatz hinter sich. Bei muslimischen Jugendlichen kann es sein, dass sie Diskriminierungserfahrungen gemacht haben. Bei allen Jugendlichen (muslimisch oder nichtmuslimisch, Jungs oder Mädchen), die in der Gesellschaft nicht angekommen sind, oder die das Gefühl bekommen, dass sie irgendwie nicht dazu gehören, gilt: kommen zu diesen Gefühlen instabile Persönlichkeitsstrukturen, entwickelt sich ein Zeitfenster von 1-2 Jahren, in dem sie für eine Radikalisierung sehr anfällig sind. Aus mehreren Gründen kommt der Salafismus bei diesen Jugendlichen sehr gut an.

Der Salafismus bietet Jugendlichen vor allem eine Identität. Sie treten aus der schwierigen, postglobalen Welt in ein geregeltes, strukturiertes Umfeld ein und bekommen dort Sinn, Orientierung und eine Mission. Sie finden auch Freunde, Gemeinschaft, Zusammenhalt; endlich gehören sie zu einer Gruppe. Die Gruppe wird für sie eine Art Jugendkultur: es gibt einen Kleidungsstil, besondere Symbole, bestimmte YouTube-Kanäle und Facebook-Seiten und eine eigene Sprache, die die Salafisten aus sich immer wiederholenden Worten bilden.

Der Salafismus erfüllt auch das Bedürfnis der Jugendlichen nach Information und Wissen. Er nimmt viele Unsicherheiten ab, indem er „Wahrheit“ und Autorität anbietet (obwohl die meisten in Deutschland lebenden Salafisten keine religiöse Ausbildung gemacht haben und nur ein oberflächliches Argumentationsmuster kennen). In diesen Gruppierungen müssen sich die Jugendlichen nicht mehr fragen, was sie anziehen sollen, wie sie sich gegenüber dem anderen Geschlecht verhalten sollen, wie ihr Lebensentwurf aussehen soll. Sie bekommen das Bewusstsein, auf dem „richtigen Weg“ zu sein. Dazu bekommen sie die Möglichkeit zu Protest und Provokation gegen die Eltern oder gegen die Mehrheitsgesellschaft sowie die Chance, sich an einem „Kampf für Gerechtigkeit“ zu beteiligen: „Die Muslime werden in Deutschland und weltweit unterdrückt; man muss sich dagegen wehren“. So lautet die salafistische Propaganda. Sie bekommen das Gefühl, dass sie missionieren müssen, um andere Menschen vor ihrem elenden Leben zu retten. Und für Jugendliche, die vorher vielleicht ihren Platz in dieser Gesellschaft nicht gefunden haben, ist das eine extrem attraktive Aufgabe.“

Quellen: BKA, verfassungsschutz.de, Deutscher Bundestag Drucksache 18/7151, http://www.bpb.de/politik/extremismus/islamismus/193521/salafistische-radikalisierung-und-was-man-dagegen-tun-kann