Der Parteitag möge beschließen:
Grundlagen sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik sind unsere Grundwerte: Freiheit, Gleichheit,
Solidarität. Wirtschaftspolitik soll dazu dienen, Wohlstand zu schaffen und gerecht zu verteilen.
Soziale Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Aufschwung gehören für uns zusammen. Ein inhaltlicher
Widerspruch besteht lediglich auf den ersten Blick.
Bei genauerem Hinsehen wird klar: Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik muss Menschen
ökonomisch in die Lage versetzen von ihren Freiheiten Gebrauch zu machen. Wir wollen nicht nur
Freiheitsrechte auf dem Papier sondern umfassende soziale Freiheit. Umverteilung ist daher
unerlässlicher Bestandteil sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik.
Beim Wirtschaften steht für uns der Mensch im Vordergrund. Das betrifft allerdings nicht nur seine
materielle Situation, sondern auch seine ideelle Freiheit. Wir sehen die Menschen nicht nur als
Zahnräder im Gefüge des Kapitalismus, sondern als frei handelnde Subjekte, die sich neben der
Arbeitskraft auch mit ihrer Kreativität in die Arbeitsprozesse einbringen sollen.
Deshalb wollen wir, dass Menschen sich wieder verstärkt mit ihrer Arbeit identifizieren können.
Arbeitnehmer*innen müssen am Produktionsprozess enger beteiligt werden. Das funktioniert nicht
nur durch mehr betriebliche Mitbestimmung in Fragen der Produktion, sondern durch eine verstärkte
Beteiligung der Arbeitnehmer*innen am erwirtschafteten Gewinn. Eine Trennung von Kapital und
Arbeit und die daraus resultierende Entfremdung lehnen wir ab.
Zweifellos richtig ist, dass der Wohlstand, der verteilt werden soll, erst erarbeitet werden muss.
Gerade ein breit aufgestellter Sozialstaat braucht deswegen ein solides wirtschafts- und
finanzpolitisches Fundament. Ein Fundament, das aber ein anderes ist als das Fundament
neoliberaler Nachtwächterstaatsmodelle. Ein Fundament aus:
• guter Arbeit,
• gerechten Löhnen, Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer*innen
• nachhaltiger staatlicher Investitionstätigkeit für zukunftsfähige Infrastruktur und
Daseinsvorsorge,
• einem öffentlichen Beschäftigungssektor,
• aus klaren Vorgaben für nachhaltige Produktion,
• aus Steuergerechtigkeit und dem Abgreifen von hohen Vermögen,
• aus der Förderung des Konsums und privater Investitionen in die Schaffung von
Arbeitsplätzen
• und aus einem klar regulierten Finanzmarkt.
Hermann Scheers Interpretation der Energiewende ist ein Beispiel für ein solches
wirtschaftspolitisches Fundament.
Wir als SPD lehnen auch die neoliberale Kapitalismusvariante ab und stehen für eine Überwindung
der Trennung von Kapital und Arbeit. Kein unternehmerisch Tätiger soll sich allein durch Entlohnung
den Mehrwert von Arbeit sichern können. Arbeit wollen wir in die Richtung eines Freiheitsideals
weiterentwickeln. Das kann nur funktionieren, wenn Arbeitnehmer*innen direkt von ihrer Arbeit
profitieren und ihnen ein Teil des Gewinns zusteht – nicht nur der absolut verhandelte Lohn. Darüber
hinaus brauchen wir einen starken Staat, der regulativ für gleichwertige Lebensverhältnisse sorgt. Im
Kern geht es darum, dass nicht der Markt entscheidet, sondern die Politik. Die SPD muss in der
Gesellschaft für Alternativen streiten und darf keine Angst davor haben, diese umzusetzen.
Marktmechanismen können oft hilfreich sein, weil sie Menschen dazu motivieren, gewünschte
politische Ziele aus eigenem Interesse zu verfolgen. Ein richtig durchgeführter Handel mit EmissionsZertifikaten, oder die Einspeisevergütung im Bereich der erneuerbaren Energien sind gute Beispiele
dafür. Selbstregulierende Marktsysteme dürfen jedoch nicht Selbstzweck sein sondern immer nur zur
Unterstützung eines klaren Ordnungsrahmen dienen, der politisch festgelegt wird. Das unterscheidet
linke Politik von den Ideen der Neoliberalen: Die SPD steht für ein arbeitsteiliges, marktorientiertes,
aber vom Kapitalismus überwundenes und von der Öffentlichkeit reguliertes Wirtschaftssystem,
sodass Menschen frei und emanzipiert sein können.
Wir dürfen uns bei einer alternativen Wirtschaftsordnung allerdings nicht nur auf den Staat
verlassen. Vielmehr muss die Position der Gewerkschaften gestärkt werden. Vielleicht noch mehr als
ein Solidaritätsbewusstsein des Staates muss die gewerkschaftliche Kampfkraft gute Arbeit erreichen
und erhalten. Politik kann hier rechtliche Rahmenbedingungen schaffen. Linke Politik kann sich
darüber hinaus mit den Gewerkschaften solidarisieren – vor allem dann, wenn sie gegenüber der
Politik unbequem sind.
Politischer Gestaltungsspielraum setzt solide Finanzen voraus. Wir stehen für einen gerechten
Steuerstaat, in dem starke Schultern mehr tragen als schwache.
Diese für die Steuerprogression zentrale Idee soll künftig auch für Kapitaleinkünfte gelten. Wir wollen
keine Privilegierung von Kapitaleinkünften gegenüber Einkommen aus harter Handarbeit durch
niedrige Pauschalsteuern. Insgesamt sollen bei der Finanzierung des Sozialstaats die direkten Steuern
wieder eine stärkere Bedeutung spielen als die indirekten. Wir wollen höhere Steuern auf
Körperschaften und Spitzeneinkünfte und eine schrittweise Reduzierung der Verbrauchssteuern, die
alle Menschen ungeachtet ihres Reichtums gleich treffen.
Unsere gesellschaftliche Vision ist, dass eigene Anstrengung und Fleiß zum Erfolg führen, nicht die
Leistungen der Großeltern. Die Erbschaftssteuer für Erbmassen im Millionenbereich wollen wir daher
drastisch verschärfen.Wir wollen jedoch nicht nur eine soziale Ökonomie, sondern eine sozial-
ökologische. Wachstum, Wohlstand, Verteilungsgerechtigkeit und das Haushalten mit unseren
natürlichen Ressourcen gehört für uns zusammen. Der Widerspruch von Umwelt und Gerechtigkeit
entspricht nicht nur nicht dem Zeitgeist. Er ist schlicht falsch. Selbst die klassische
Volkswirtschaftslehre sieht im Boden einen gleichrangigen Produktionsfaktor neben Kapital und
Arbeit und schafft damit Raum für ökologische Erwägungen in der Produktion. Dennoch spielen
Umweltaspekte bis heute keine ebenbürtige Rolle in der Wirtschaftspraxis: Ein Fehler. Natürliche
Ressourcen wie Nutzflächen, Bodenschätze, gute Luft und sauberes Wasser sind endlich und nicht
regenerierbar. Gleichzeitig ist Lebensqualität größtenteils davon abhängig, dass diese Ressourcen
allgemein zugänglich sind. Verschwenderischer Ressourcenverbrauch führt also nicht nur dazu, dass
künftigen Generationen gleichwertige Lebensbedingungen verwehrt bleiben. Er benachteiligt auch
verbrauchsarme Gesellschaften, deren Ressourcen ausgebeutet werden, ohne dafür angemessen
entschädigt zu werden. Wir wollen einen Wachstumsbegriff, der ökologische Gesichtspunkte
berücksichtigt. Wachstum ist nicht abzulehnen sondern an qualitative Bedingungen zu knüpfen.
Wachstum ist eben nur dann sinnvoll, wenn es verbunden ist
• mit nachhaltiger Wertschöpfung
• und zu einer Verbesserung des Lebensstandards führt,
• wenn Profite und Belastungen gerecht verteilt werden
• und wenn auch nach Abzug der volkswirtschaftlichen Kosten wie Umweltbelastungen
gemeinnützliche Werte verbleiben. Wir wollen nachhaltiges, qualitatives Wachstum.
Als überzeugte Internationalist*innen wollen wir auch in der Wirtschaftspolitik eine internationale
Perspektive einnehmen. Wirtschaftspolitik auf Kosten anderer Regionen in der Welt lehnen wir ab.
Das verlangt insbesondere ein Umdenken im Handel. Gerade vor diesem Hintergrund wollen wir
nicht, dass ein transatlantischer Handelsraum Schwellenländer in die Dumpingspirale treibt. Wir
stehen für ausgeglichene und ausgewogene Volkswirtschaften. Hierzu müssen Exportüberschüsse
abgebaut werden. Durch Bereitstellung von Knowhow und Technologien soll Schwellenländern
ermöglicht werden in der Versorgung mit Gütern eigenständiger zu werden und sich von der
Importabhängigkeit und der Schuldenfalle zu befreien. Gleichzeitig wollen wir, dass Importländer
mehr Verantwortung für die Bedingungen in den Produktionsländern übernehmen. Wir wollen
verbindliche Qualitätsstandards und Mindestproduktionspreise für importierte Güter.